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Sanierung durch Akquisition

Sanierung durch Akquisition

Wenn die Rettung teurer wird als das Problem

„Du sollst kein gutes Geld schlechtem hinterherwerfen!“ Dieser Satz von Börsenlegende André Kostolany hat sich bei mir eingebrannt – irgendwo zwischen einem abgestürzten Dotcom-Investment und einem Glas Rotwein. Und er schoss mir sofort wieder durch den Kopf, als mir ein Private Equity Fonds eine dieser ganz besonderen Ideen präsentierte: Sanieren durch Akquirieren.

Die Geschichte lief ungefähr so: Da gab es ein Portfoliounternehmen, das einfach nicht performen wollte. Klar, das Vorzeichen vor dem Ergebnis war noch positiv, aber die Zahl dahinter? Meilenweit entfernt von dem, was man sich im Business Case ausgemalt hatte. Als ich nach den wahrscheinlichen Ursachen fragte, kam vom zuständigen Partner prompt: „Die Prozesse sind das Problem.“ Die Lösung? Stand auch schon parat. Man wollte einfach ein weiteres Unternehmen aus der Branche kaufen, eines mit funktionierenden Prozessen, diese dann übernehmen und Schwupps, läuft der Laden.

Zugegeben, Kostolanys Warnung greift hier nicht vollständig. Sein Rat zielt ja auf passive Investments ab, vor allem auf Aktienkäufe. Aber in der Situation eines Private Equity Fonds ist man alles andere als passiv. Man kannst aktiv eingreifen, Dinge bewegen. Und die vorgeschlagene Akquisition wäre genau das: eine aktive Intervention. Also lohnt es sich durchaus, die Sache gründlich zu durchleuchten, statt sie direkt vom Tisch zu wischen.

Erst das Problem verstehen…

Pauschallösungen gibt es nicht, weder das reflexartige „bloß kein Euro mehr reinpumpen“ noch das optimistische „wird schon gutgehen“. Im M&A Geschäft braucht es den scharfen Blick fürs Detail: Probleme präzise identifizieren, Ursachen konsequent aufdecken.

Was bedeutet es denn konkret, wenn etwas nicht richtig rund läuft? Fehlt der funktionierende Zugang zum Markt? Reichen Qualität von Produkten oder Services nicht aus? Liegt der Automatisierungsgrad zu niedrig, was wiederum Prozesszeiten in die Länge zieht oder Personalkosten explodieren lässt?

Ganz ehrlich: Mit „es liegt an den Prozessen“ kommt man auch nicht weit. Prozesse durchziehen die gesamte Wertschöpfungskette an den unterschiedlichsten Stellen. Welche Prozesse genau machen Probleme? Warum lassen sie sich nicht einfach anpassen? Blockiert die IT-Applikationslandschaft? Fehlt es an Digitalisierung?

Tatsächlich mangelt es manchmal schlicht an der nötigen Größe, um Skaleneffekte zu erzielen, die Wettbewerber längst für sich nutzen. Wobei selbst dann eine Akquisition keine Erfolgsgarantie bietet, wie etwa die Getir/Gorillas Transaktion vor drei Jahren eindrücklich demonstriert hat.

…dann die Lösung auswählen

Die Frage „Wie sollte das Target dann aussehen?“ ließe sich herrlich simpel beantworten: Es braucht schlicht die maßgeschneiderte Lösung für genau dieses Problem. Doch wie erkennt man die wirklich? Woher will man wissen, dass das, was das Target mitbringt, tatsächlich die passende Lösung ist, die am Ende beide Unternehmen wieder richtig zum Laufen bringt?

Nehmen wir die Vertriebsprozesse als Beispiel. Selbst wenn beide Seiten die gleichen Produkte verkaufen, garantiert das noch lange nicht, dass die Vertriebsprozesse auch in einem anderen Markt funktionieren. Und dieser andere Markt muss nicht einmal ein anderes Land sein. Man denke nur an B2B versus B2C. Und nur weil per Definition eine Zielgruppe ins B2B Schema fällt, heißt das noch lange nicht, dass alle dort wie Konzerne ticken.

Je tiefer die Lösung im Inneren der Organisation verankert liegt, desto schwieriger wird die Übertragbarkeit. Ein spannender Fall: Das Unternehmen erbringt Dienstleistungen für Konsumenten. Filialbasiert, sehr personalintensiv, kurze Interaktionszeit mit dem Kunden. Die Prozesse zur Leistungserbringung funktionieren prinzipiell gut. Qualität und Effizienz stimmen. Das Problem: Das erforderliche Service Mindset fehlt – nicht so sehr in den Filialen, aber im ganzen Rest der Organisation. Selbst durch ein perfektes Target lässt sich dieses Mindset unmöglich akquirieren. Das braucht immer einen ausdauernden Transformationsprozess.

Egal, wo der Hund begraben liegt – wer bei der Target-Auswahl nicht gleichzeitig die spätere Integration mitdenkt, der sollte sich Kostolanys Mahnung einrahmen. Die Frage ist also nicht nur, ob das Target die passende Lösung hat, sondern besonders auch: Wie lässt sich die Lösung aus dem Target übertragen?

Von Merger of Equals und Reverse Integration

Das zweite Detail aus jenem Gespräch? Der Satz: „Das ist dann ja ein Merger of Equals.“ Falsch gedacht! Die Unternehmen sind alles andere als ebenbürtig. Das eine läuft rund, das andere nur mit Aussetzern. Wer hier das Label „Merger of Equals“ aufklebt, setzt die völlig falschen Erwartungen.

Noch mal kurz die Situation: Man hat die Lösung für seine Probleme gefunden. Diese Lösung kommt in Gestalt einer Add-on Akquisition daher. Man entscheidet sich für den Akquisitionsweg. Dann wäre es geradezu absurd, so zu tun, als könnten beide Organisationen jetzt gleichberechtigt aushandeln, wie sie miteinander verschmelzen möchten.

Die Realität dreht das Spiel komplett um. Man hat es mit einer Reverse-Integration zu tun, denn das Target bringt offensichtlich die überlegenen Strukturen mit. Zugespitzt formuliert: Man integriert den Käufer ins Target hinein. Die Wertschätzung, die man in klassischen Konstellationen dem Target entgegenbringt, gebührt hier dem Käufer.

Daher die klare Empfehlung: Das Target nicht direkt durch das ursprüngliche Portfoliounternehmen akquirieren. Stattdessen die Transaktion über das Akquisitionsvehikel abwickeln. So stehen beide Unternehmen zumindest nebeneinander, und die Organisation des Targets ordnet sich nicht versehentlich unter.

Ohne ausreichend Puffer wird die Sanierung zur Zerreißprobe

Ausreichend Puffer bildet die Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Sanierung durch Akquisition. Die Ausgangslage: Das ursprüngliche Unternehmen glänzt nicht gerade durch Profitabilität. Viel zu häufig kippt eine knapp positive Ertragslage ins Minus. Dann wird die Liquidität zum Engpass, die Zeit zum knappen Gut.

Gleichzeitig tauchen immer unvorhergesehene Ereignisse auf. Diese verschlingen mindestens zusätzliche Zeit, meist auch zusätzliches Geld. Da kommt die Einführung eines wichtigen IT Systems, die weitere Migrationen nach sich zieht. Dort lassen sich die Produktionsprozesse zwar mit dem vorhandenen Maschinenpark abbilden, aber die Logistik steht plötzlich vor einer ungeplanten Herausforderung.

Rutscht man durch solche Entwicklungen in einen Sanierungsfall, muss die angestrebte Transformation zurückstehen. Das kann schnell ein oder zwei Jahre verschlingen. Unvorhergesehenes gehört zu jeder M&A Transaktion dazu, nur fallen die Auswirkungen hier deutlich schwerer ins Gewicht.

Keine Experimente in der Krise

In der Krise bleibt keine Zeit für Experimente. Das wirft die Frage nach klaren Ausschlusskriterien auf. Die Filter von der Longlist zur Shortlist sind bereits extrem eng und lassen kaum Targets durch. Die Anforderungen an ein passendes Target für die Sanierung durch Akquisition fallen knallhart aus.

Handelt es sich beim ursprünglichen Unternehmen um einen Restrukturierungsfall oder steckt es gar in akuter Insolvenzgefahr, gilt eine eiserne Regel: Finger weg von der komplexen Sanierung durch Akquisition.

Der kürzere Weg könnte der bessere sein

Manchmal führt der direkte Weg schneller ans Ziel. Wer ernsthaft erwägt, die Sanierung gleich im bestehenden Unternehmen anzupacken, sollte sich fragen: Warum nicht auch die nötige Transformation dort umsetzen? Das Risiko bleibt überschaubar, und der Kapitalbedarf fällt deutlich geringer aus.

Ohnehin muss man für die Auswahl des richtigen Übernahmekandidaten die Probleme und ihre Ursachen gründlich durchleuchten und messerscharf identifizieren. Sonst droht die Gefahr, ein Target zu wählen, das zwar hervorragend dasteht, aber am eigentlichen Problem vorbeigeht.

Sind Probleme und Ursachen erst einmal klar erkannt, liegt die Lösung fast immer auf der Hand. Und durch den Transformationsprozess muss die Organisation so oder so, auch bei der Sanierung durch Zukauf.

Mut oder Übermut?

Sanierung durch Akquisition – das klingt verlockend, ist aber alles andere als die Silver Bullet für angeschlagene Portfoliounternehmen. Wer diesen Weg einschlägt, spürt schnell den enormen Druck, der auf solch einer Transaktion lastet. Denn hier geht es nicht nur darum, dass zwei Organisationen irgendwie, irgendwo, irgendwann zusammenwachsen. Nein, das Zusammenwachsen ist die zwingende Voraussetzung dafür, dass die Rochade überhaupt funktioniert.

Wer denkt, mit frischem Kapital für Transaktion und Akquisition sei es getan, unterschätzt die Sache gewaltig. Die eigentliche Herausforderung wartet nämlich danach: die Transformation des Unternehmens. Und genau hier drängt sich eine Frage geradezu auf, die man sich unbedingt ehrlich beantworten sollte: Warum steckt man nicht gleich die ganze Energie direkt in die Sanierung und Transformation des ursprünglichen Unternehmens?

Bevor man also vorprescht und womöglich doch gutes Geld dem schlechten hinterherwirft, lohnt sich ein glasklarer Blick auf die tatsächliche Situation. Erst verstehen, was wirklich los ist – dann entscheiden.

Die Reise nach Jerusalem

Die Reise nach Jerusalem

Von Nationalpark nach Jerusalem

Kruger Nationalpark, Südafrika. Closing-Offsite. Die Morgensonne steht schon hoch, das Frühstück ist fast verdaut. Die beiden CEOs nutzen die Zeit bis zum Workshop für einen Spaziergang durch die Savanne. Gute Idee. Frische Luft, klarer Kopf, strategische Gedanken. Als plötzlich ein Löwe vor ihnen steht. Großkatze. Hungrig. Interessiert. Die Mimik lässt keinen Zweifel: Das Tier hatte noch kein Frühstück.

Einer der beiden CEOs bleibt erstaunlich ruhig. Er öffnet seinen Rucksack, holt Turnschuhe heraus und beginnt, sie anzuziehen. Langsam, konzentriert, als hätte er alle Zeit der Welt. Sein Kollege beobachtet die Szene mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Spott. „Ernsthaft? Mit Deiner sportlichen Verfassung willst Du schneller laufen als der Löwe?“ Der erste CEO schnürt den letzten Schuh zu, richtet sich auf und lächelt. „Muss ich zum Glück auch nicht. Es reicht völlig, wenn ich schneller bin als Du.“

Das könnte natürlich auch eine Antwort auf die CEO-Frage sein. Zwei Unternehmen fusionieren, zwei Chefs kommen zusammen, aber zum Closing steht noch nicht fest, wer ab Day One tatsächlich das Ruder übernimmt. Vertagt. Aufgeschoben. Offen gelassen.

Eine andere Variante? Reise nach Jerusalem. Wer das Spiel von Kindergeburtstagen kennt, versteht das Prinzip sofort. Zwei CEOs. Ein Chefsessel. Solange die Musik läuft, bleiben alle entspannt. Aber irgendwann hört die Musik auf. Und wer dann zuerst sitzt, hat den Job.

Wobei, Spaß beiseite. Wenn zwei Unternehmen fusionieren, die mehr oder weniger auf Augenhöhe liegen, wenn man den berühmten und gerne beschworenen Merger of Equals spielt: Wie geht man dann eigentlich mit der CEO-Frage um? Muss die wirklich vor dem Closing geklärt sein? Oder darf man sich damit Zeit lassen, in Ruhe eine tragfähige und nachhaltige Lösung entwickeln, die zu der Strategie passt und mit der die Ziele der Akquisition auch erreicht werden?

Das Setting – Mythos Merger of Equals

Die Lehrbücher haben eine klare Vorstellung davon, was ein Merger of Equals (MoE) eigentlich ist. Zwei Unternehmen schließen sich zu einer neuen, eigenständigen Einheit zusammen, der NewCo. Die Details der Transaktion werden im Vorfeld penibel im Business Combination Agreement (BCA) festgelegt. Dort steht auch schwarz auf weiß, wie sich die Anteile des neuen Unternehmens auf die Gesellschafter bzw. Aktionäre der beiden Altgesellschaften verteilen.

In einem Merger of Equals im Sinne dieser reinen Lehre übernimmt nicht das eine Unternehmen das andere. Beide Parteien sind von Beginn an mehr oder weniger gleichberechtigt im Prozess. Weil die NewCo rechtlich als unabhängige Einheit entsteht, braucht sie von Tag eins an eine definierte Führungsstruktur. Wer schon mal in die Gründung einer GmbH oder Aktiengesellschaft involviert war, weiß, ohne explizite Angabe einer Geschäftsführung oder eines Vorstandes geht das nicht. Dies kann als Übergangslösung gestaltet sein, in der beide CEOs der Altgesellschaften eine Rolle spielen und die CEO-Frage bewusst erst nach dem Closing entschieden wird.

In der Praxis zeigt sich jedoch häufig ein weniger idealistisches Bild. Viele M&A Transaktionen folgen klar dem klassischen Käufer-Target Verhältnis und werden trotzdem großzügig mit dem Etikett Merger of Equals versehen. Gemeint ist dann meist: Man begegnet sich auf Augenhöhe und verzichtet darauf, dem Target ohne Diskussion alle Strukturen des Käufers überzustülpen.

Wer es mit der Augenhöhe ernst meint, stellt folgerichtig auch die Führungsstruktur und ihre Besetzung beim Käufer zur Disposition. Beim Target können Systeme liegen, die interessanter, effizienter oder passender sind. Und das gilt eben auch für die relevanten Führungskräfte, inklusive des CEOs des Targets.

Bevor Entscheidungen vorschnell getroffen werden, bevor man die handelnden Personen wirklich kennengerlernt hat, liegt es daher nahe, zentrale Personal- und Strukturfragen erst nach dem Closing zu klären. Zumal zwischen Signing und Closing ohnehin genügend andere Themen auf hoher Drehzahl laufen. Jede Entlastung an dieser Stelle schafft Handlungsspielraum.

Einschub: Wenn die Akquisition bewusst alles andere als auf Augenhöhe stattfinden soll. Die Entscheidung, das Modell des Käufers konsequent auf das Target auszurollen, steht im Vorfeld für viele Buy-&-Build Projekte faktisch fest. Gerade dann lohnt es sich trotzdem, bewusst nach Best Practices beim Target zu suchen. Das ist nicht nur ein wichtiges Signal der Wertschätzung gegenüber Organisation und Mitarbeitenden. In der Praxis entdeckt man nahezu immer etwas Interessantes, das nicht unter den Tisch fallen sollte.

Es gibt immer einen Schiedsrichter – Mythos Führungsvakuum

Dann ist da noch ein Spezialfall. Ein Finanzinvestor kauft mehrere Unternehmen zusammen. Das muss nicht zwingend im Rahmen einer Buy-&-Build Strategie im fragmentierten Markt geschehen; es können genauso gut nur zwei oder drei Unternehmen – zum Beispiel Wettbewerber – sein.

Startet die Konstruktion nicht mit einem Anker-Investment, sondern mit einer übergeordneten Gesellschaft, die nach und nach die zwei bis drei Einzelgesellschaften akquiriert, dann hat dieses Acquisition Vehicle aus rechtlicher Sicht von Anfang an eine Führung. Wir erinnern uns an die Gründungszeremonie beim Notar.

Ein Führungsvakuum entsteht also in keiner Konstellation. Spätestens die Gesellschaftervertreter oder die Gesellschafter des Unternehmens selbst haben nicht nur die Möglichkeit einzugreifen, sie tragen auch die Verpflichtung dazu.

CEO(s), Aufsichtsräte, Beiräte und Eigentümer schultern die Verantwortung, aufzupassen, dass die M&A Transaktion nicht zum chaotischen Kindergeburtstag mutiert, bei dem sich die Eltern der Gastkinder hinterher denken, „Zum Glück muss ich hier nicht aufräumen.“ Das gilt beim Merger of Equals ebenso wie bei einer Akquisition auf Augenhöhe und bei jeder anderen M&A Transaktion. Und das gilt unabhängig davon, ob die CEO-Frage bereits vor dem Closing geklärt ist oder nicht.

Die Chance endlich aufzuräumen – Die Vorteile

Vorstandsressorts sind in vielen Unternehmen nahezu in Stein gemeißelt. Die Chance, diese Zuschnitte grundlegend zu verändern, ergibt sich nur selten. Wenn sie sich zeigt, wäre es geradezu fahrlässig, sie verstreichen zu lassen. Eine Lektion, die jeder lernt, der sich ernsthaft mit organisatorischen Veränderungen beschäftigt. Selbst wenn ein neuer CEO antritt, bleibt die Struktur häufig unverändert.

Der Merger jedoch öffnet einen kostbarer Raum. Plötzlich liegt die Möglichkeit auf dem Tisch, Verantwortungen neu zu strukturieren. Veränderungen im Markt lassen sich in der Organisation abbilden. Die gewünschte, vielleicht sogar erforderliche Transformation kann endlich auch auf der obersten Ebene organisatorisch verankert werden. Dort, wo sie eigentlich hingehört.

Die Trennung von Struktur und Besetzung ist anspruchsvoll. Steht die Führungsmannschaft bereits vorher fest, wird sie nahezu unmöglich. Gönnt sich das Unternehmen hier Zeit, steckt es zuerst das Spielfeld ab und legt dann die Aufstellung fest. Im Rahmen der Integration wird häufig beim Target aufgeräumt. Dieser Anlass lässt sich ebenso nutzen, um beim Käufer aufzuräumen. Eine Chance, die viel zu oft ungenutzt bleibt.

Indem sich das Unternehmen die Zeit nimmt, die bestehenden Strukturen und Führungsmannschaften im wahrsten Sinne des Wortes zu erleben, bevor Entscheidungen fallen, setzt es ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für das Target. So bleiben Best Practices des Targets nicht auf der Strecke. Die viel zitierte Begegnung auf Augenhöhe wird sichtbar gelebt und bleibt nicht bloß ein hübsches Lippenbekenntnis.

Unsicherheit und Undurchsichtigkeit – Die Nachteile

Nicht getroffene Entscheidungen erzeugen Unsicherheit. Diese Unsicherheit wirkt nach innen auf die Mitarbeitenden beider Organisationen und nach außen auf Kunden, Lieferanten, Partner, Finanzierer. Hält dieser Zustand zu lange an, droht Abwanderung. Gerade bei Mitarbeitenden zeigt sich immer wieder die gleiche Dynamik: Es gehen zuerst die Guten.

Parallel bestehende Strukturen führen zu Ineffizienzen. Damit die beiden Organisationen nicht gegeneinander arbeiten, werden zusätzliche Abstimmungen auf verschiedenen Ebenen und in fast allen Funktionen notwendig. Dieser erhöhte Abstimmungsaufwand gehört zwar zu jeder Integrationsphase und damit zu jeder M&A Transaktion, bleibt aber ein spürbarer Bremsfaktor.

Fehlende finale Strukturen und Verantwortlichkeiten können zudem den Fokus verschwimmen lassen. Unternehmensstrategie und Akquisitionsziele werden unterschiedlich interpretiert und entsprechend weniger konsequent umgesetzt. Eine ungeklärte CEO-Frage öffnet in manchen Konstellationen das Feld für taktische Manöver, politische Spiele und Machtspiele. Ein Schauspiel, das niemand wirklich braucht.

Vorübergehend führt die nicht getroffene Entscheidung in jedem Fall zu einem Zeitverzug bei der Umsetzung und bei der Erreichung der Akquisitionsziele. Die Risiken sind da. Ob und wie stark sie durchschlagen, hängt unmittelbar davon ab, wie diese Phase der Unsicherheit organisiert und gesteuert wird.

Den Übergang organisieren – Wie es gehen kann

Am Anfang steht das Ziel, die Vision für die gemeinsame Zukunft der beiden Organisationen. Welche Ziele sollen gemeinsam erreicht werden? Wie sieht der Erfolg der Akquisition in einem, zwei oder drei Jahren aus? Was lässt sich gemeinsam erreichen, was alleine nicht möglich war? Es sind die bekannten Fragen. Die Antworten, die dieser Vision Leben einhauchen, tragen beide Organisationen durch die Unsicherheit der Übergangsphase.

Auf die Vision folgt der weniger glamouröse, aber entscheidende Prozess. Wenn die eigentliche Frage noch nicht beantwortet werden kann, sollte zumindest klar sein, wie diese Frage beantwortet wird. Wie führt der Weg von der heutigen ungeklärten Situation hin zum neuen Zielzustand inklusive der dann geklärten CEO-Frage?

Dieses Vorgehen sollte idealerweise vor dem Closing definiert sein. Welche Schritte werden durchlaufen, welche Abstimmungen und Mitbestimmungen sind vorgesehen? Wann werden welche Ergebnisse kommuniziert? Neben zeitlichen Grenzen braucht der Prozess auch inhaltliche Grenzen, Leitplanken, einen klaren Rahmen. Was steht unumstößlich fest? Welche Gestaltungsräume gibt es? Was darf, was kann, was soll gestaltet werden? Diese Fragen zu beantworten bedeutet, den Menschen in beiden Organisation Halt zu geben.

So entsteht Sicherheit im offenen Raum. Je unbekannter das Terrain, desto höher die Anforderungen an Führung. Solange die CEO-Frage nicht abschließend geklärt ist, liegt ein zentraler Führungsauftrag bei den Gesellschaftern bzw. deren Vertretern. Hier sind Aufsichtsräte, Beiräte oder die Gesellschafter selbst gefragt.

Führungsstärke – Erfolgreich zum Ziel 1

Oben ist bereits klar geworden, dass auch bei ungeklärter CEO-Frage niemand durch ein Führungsvakuum steuert. Spätestens die Eigentümer stehen als Schiedsrichter zur Verfügung. Wie so oft im Leben begegnen sich hier Bring- und Holschuld. In dieser unsicheren Phase müssen Gesellschafter oder ihre Vertreter deutlich Führungsstärke demonstrieren. Dazu zählen Sichtbarkeit, Verfügbarkeit und Erreichbarkeit. Der Schiedsrichter muss zum Anpfiff auf dem Platz stehen – wer sich in der Umkleide oder im Wellnessbereich versteckt, hat bereits verloren, bevor das Spiel begonnen hat.

Offizielle Strukturen wie ein Steering Committee oder eine Entscheidungs-Charter erweisen sich in Standardsituationen durchaus als nützliche Helfer. Sie bringen Ruhe und Struktur in die Zusammenarbeit. Macht Sinn. Die wahre Bewährungsprobe lauert jedoch in den besonderen Fällen, in den Ausnahmesituationen, dort, wo keine Checkliste mehr weiterhilft.

Wenn sich die Gemüter an scheinbaren Kleinigkeiten erhitzen – etwa der, ob ein zentrales Accounting eingeführt wird oder beide Standorte lokales Accounting behalten – dann eskalieren Diskussionen schnell. Die Unsicherheit greift wie ein Flächenbrand auf die Organisationen über. Genau in diesem Moment müssen die Schiedsrichter eingreifen. Unverzüglich, nicht erst beim nächsten offiziellen Steering Committee in zwei Wochen.

Eröffnet sich in solchen Momenten ein zweites Spielfeld, verschiebt sich der Fokus dramatisch. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung dominieren plötzlich Machtspiele. Es wird – im wahrsten Sinne – taktiert, bis der Schiedsrichter kommt. Greifen die Eigentümer nicht rechtzeitig ein und unterbinden diese destruktiven Muster, entstehen Konstellationen, die später bereut werden. Phasen großen Umbruchs und ausgeprägter Unsicherheit sind nicht die Zeit für Machtspiele, so beliebt sie in freier Wildbahn auch sein mögen.

Orientierung bietet die konsequente Trennung von Run-the-Business und Change-the-Business. Welche Themen gehören zum normalen Geschäft (run), welche zur anstehenden Veränderung (change)? Diese klare Abgrenzung erweist sich als überraschend wirksam. In vielen Fällen kann das Business-as-usual für die Übergangszeit stabil weiterlaufen. So können die Schiedsrichter ihre kostbare Aufmerksamkeit auf die relevanten Fragen richten und klar erkennen, wie viel Taktik und Machtspiel tatsächlich im Hintergrund abläuft.

Transparenz schafft Vertrauen – Erfolgreich zum Ziel 2

Die Vision für den Merger steht. Das Warum hinter der CEO-Frage ist geklärt. Der Prozess zur Klärung ebenso, Meilensteine und erwartete Antworten für die organisatorische Veränderung sind sauber definiert. Aber sind wirklich alle im Bilde? Wissen die Mitarbeitenden beider Organisationen, was geplant ist? Oder stochern sie im Nebel der Unwissenheit?

Den Menschen können Unsicherheit aushalten, sogar über längere Zeiträume. Vorausgesetzt, sie wissen, wie lange sie ungefähr warten müssen und welche Schritte auf dem Weg liegen. Genau wie in der Kindheit das Warten auf das Christkind: quälend lang, aber erträglich, weil der Adventskalender die Tage transparent zählt und der Nikolaus zwischendurch die Wartezeit erträglicher machte.

Genau diese Transparenz über Vision, Warum, Prozess und Meilensteine müssen die Verantwortlichen geben. Es hilft ungemein, die Hintergründe für die eine oder andere Wartezeit offen zu legen. Etwa, dass eine Anhörung und Freigabe des Betriebsrates aussteht oder eine offizielle Gesellschafterversammlung zustimmen muss. Das sind keine lästigen Ausreden, sondern die Realität erwachsener Unternehmen. Und ehrlich kommuniziert schaffen sie Verständnis statt Frust.

Das war der Auftakt. Jetzt kommt die eigentliche Kür: dranbleiben. Mit regelmäßigen Updates geht die Reise durch die Unsicherheit weiter. Nicht nur zu den Meilensteinen gibt es ausreichend Anlass, Wort zu halten und über die versprochenen Ergebnisse zu informieren. Kleine Updates zwischendurch erhalten das Vertrauen. Es braucht dafür nicht immer Betriebsversammlungen oder pompöse Townhall-Meetings. Eine kurze E-Mail des jeweils zuständigen CEOs, idealerweise von beiden unterzeichnet, schafft das wohltuende Gefühl, informiert, beteiligt und wichtig zu sein.

Und wenn ein Meilenstein doch mal ins Wanken gerät? Wenn das erwartete Ergebnis noch nicht vorliegt, weil der Betriebsrat noch mit sich oder den Beratern ringt? Oder weil einfach noch keine gute Lösung gefunden wurde und eine weitere Woche nötig ist? Das kommt vor und ist selten ein Beinbruch. Im Gegenteil. Solange es direkt und offen kommuniziert wird, stärkt es sogar das Vertrauen. Denn die Wahrheit besitzt eine erstaunliche Superkraft. Sie macht glaubwürdig. Und Glaubwürdigkeit ist die härteste Währung in jeder Transformation.

Hartnäckigkeit und Ausdauer – Erfolgreich zum Ziel 3

Das bedeutet nicht, dass Plan und Meilensteine bei der erstbesten Gelegenheit leichtfertig über Bord geworfen werden. Nur wirklich gewichtige Gründe, etwa signifikante externe Einflüsse, die niemand voraussehen konnte, sprechen im absoluten Ausnahmefall für eine Anpassung des Plans. Für echte Veränderung, für wahrhaftige Transformation zählen zwei Dinge. Ausdauer und Hartnäckigkeit.

Schwierigkeiten, Herausforderungen und Gegenwind sind für Transformationsprojekte wie das Amend in der Kirche. Sie werden kommen. Das ist keine Besonderheit ungeklärter CEO-Fragen oder von M&A Transaktionen. Oft wirkt es, als wäre eine schnelle Entscheidung, eine rasche Auflösung der Situation die passende Lösung. Kurzfristig mag das tatsächlich funktionieren. Mittel- und langfristig jedoch gehen Vision und Akquisitionsziele damit vor die Hunde.

Eine bewährte Faustformel von M&A Transaktionen besagt, dass nach dem Closing etwa 10.000 zusätzliche Entscheidungen in unsicherem Umfeld getroffen werden müssen. Entscheidungen, die weit außerhalb der gewohnten Standards und Prozesse liegen. Sie verschlingen zusätzliche Zeit und Energie, erzeugen eine gehörige Portion zusätzlicher Unsicherheit. Das ist die Ineffizienz, die M&A Transaktion zu Beginn immer im Gepäck haben.

All das ist Teil des erfolgreichen Weges hin zu den Zielen der Akquisition. Die Unsicherheit gehört dazu. Es braucht Hartnäckigkeit und Ausdauer, den Weg der Transformation bis zum Ende zu gehen. Ohne zwischendurch eine verlockend wirkende Abkürzung zu nehmen.

Zwei CEOs sind okay – Eine offene Flanke nicht

Mit zwei CEOs ins Closing und den Day One einer M&A Transaktion zu gehen, ist alles andere als gewöhnlich. Es ist nicht unmöglich und schon gar nicht unsinnig. Die eigentliche Frage lautet vielmehr: Warum.

Welche Vision, welche Ziele stehen dahinter? Warum ausgerechnet mit dieser Entscheidung warten? Wenn hierzu eine kristallklare Überzeugung besteht, dann ist es der richtige Weg. Mit der nötigen Führungsstärke, auch auf Seiten der Gesellschafter, lässt sich diese unsichere Phase souverän meistern.

Nachfolge-Strategie: Warum das beste Unternehmen das ist, das man behalten könnte

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Am liebsten 65-jährige!

„Am liebsten sind uns die 65-jährigen CEOs und Eigentümer, die ihr Unternehmen verkaufen wollen. Unter sechzig nehmen wir generell kein Mandat an.“ Selten begegnet man einer derart pointierten Zielgruppendefinition. Zugegeben, es klingt ziemlich kompromisslos, wie dieser M&A-Berater seine Traumkunden beschreibt.

Aus seiner Warte macht das durchaus Sinn. Je näher der CEO und Eigentümer dem Rentenalter kommt, desto größer wird der Handlungsdruck. Beim Kaufpreis gehen die Meinungen bekanntlich immer auseinander – erst recht beim eigenen Lebenswerk. Fehlt jedoch der zeitliche Druck für einen baldigen Verkauf, platzen Deals gerne auch kurz vor dem Ziel. Das passiert häufiger bei den Unter-60-Jährigen, die sich denken: „Dann mache ich eben noch fünf Jahre weiter.“

Soweit nachvollziehbar? Was für den M&A-Berater strategisch clever ist, erweist sich für CEO und Eigentümer als wenig vorteilhaft. Kurz vor Rente verengt sich der Handlungsspielraum dramatisch. Dann bleibt meist nur der Verkauf als Option. Aber ist das wirklich die optimale Lösung? Für alle Beteiligten? Für Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter?

Ein Blick auf die M&A-Aktivitäten im Mittelstand zeigt: Neben der Digitalisierung zählt die Nachfolge zu den häufigsten Auslösern für eine Transaktion. Grund genug, das Thema genauer unter die Lupe zu nehmen und zentrale Fragen zu klären: Ist ein Verkauf überhaupt zwingend? Welche Alternativen existieren? Was sind die nächsten Schritte? Und wann sollte man starten?

Welche Beweggründe sprechen für den vollständigen oder teilweisen Verkauf des eigenen Unternehmens? Wann ergibt das strategisch Sinn? Widmen wir uns zuerst diesen beiden Fragen. Die folgenden Situationen, die in den vergangenen Jahren immer wieder aufgetreten sind, liefern Antwortmöglichkeiten.

Finanzierung – Transformation kostet Geld

Ohne entsprechende Finanzierung bleibt jede Transformation ein frommer Wunsch. Dabei geht es hier nicht um Unternehmen in akuten finanziellen Nöten oder gar in der Insolvenz. Deren Restrukturierung würde ebenfalls erhebliche Mittel erfordern, aber das ist ein anderes Kapitel – in einem anderen Artikel.

Nein, hier stehen Unternehmen im Fokus, denen es finanziell durchaus gut geht. Dennoch reicht der vorhandene Cash Flow häufig nicht aus, um notwendige oder sinnvolle Veränderungen zu stemmen. Die Situationen dafür sind vielfältig.

Da will sich ein Automobilzulieferer von Verbrennungsmotor-Komponenten verabschieden und auf Elektromobilität umstellen. Nicht jeder produziert schließlich nur Stoßfänger. Diese Portfoliometamorphose erfordert in der Regel neue Technologien für die es andere Expertise als bisher braucht. Abgerundet wird die Transformation mit neuen Produktionstechnologien. Das ist nicht nur ein großer mentaler Wandel, sondern vor allem ein sehr teurer.

Neue Produktionsstätten entstehen aus den unterschiedlichsten Gründen. Produktionsverlagerungen ins Ausland sind nur ein Motiv. Manchmal platzen die bestehenden Räumlichkeiten aus allen Nähten, Miet- oder Pachtverträge laufen aus, oder Auflagen zwingen zum Umzug. Je nach Projektumfang, parallelem Weiterbetrieb zur kontinuierlichen Kundenversorgung und möglichen Sozialplänen, wenn die Standorte zu weit entfernt liegen entstehen, erhebliche Finanzierungsbedarfe. Bei vollautomatisierten Produktionen bewegen sich die Summen schnell im hohen zweistelligen Millionenbereich – da wird selbst der erfahrenste CFO kurz nachdenklich.

Dazu kommen Branchen mitten in der Marktkonsolidierung. Oft fängt einer an, und alle anderen müssen zwangsläufig nachziehen. Um nicht als Verlierer dazustehen oder selbst „geschluckt“ zu werden, bleibt nur der aktive Erwerb von Wettbewerbern. Auch das funktioniert nicht ohne entsprechende Finanzierung.

Das sind nur einige Beispiele, die gut laufende Unternehmen vor erhebliche Finanzierungsherausforderungen stellen. Die einen Verkauf oder Teilverkauf zur Folge haben. Idealerweise holt sich das Unternehmen in solchen Situationen jedoch nicht nur einen Investor ins Boot, der lediglich das nötige Kapital mitbringt.

Skin in the game

Jetzt befindet sich das Unternehmen in der komfortablen Lage, dass die Finanzierung für anstehende Veränderungen gesichert ist; sei es durch einen nur moderate Transformations-Aufwand, ausreichenden Cash-Flow oder den spendablen Investor. Je nach Transformationsvorhaben reichen Geld und Führung jedoch nicht aus. Es braucht das passende Know-how und entsprechende Erfahrung.

Die Digitalisierung liefert hier das Paradebeispiel. Ohne die nötige Expertise wird es nahezu unmöglich, auch nur den ersten geeigneten Digital-Experten auszuwählen und zu gewinnen. Produktionsverlagerungen sind hochkomplex und voller Stolperfallen. Wer diese umgehen möchte, sollte sich die entsprechende Expertise ins Haus holen.

Da gab es vor einigen Jahren einen Baumarkt-Lieferanten – jahrzehntelang erfolgreich in Familienhand geführt. Man hätte durchaus noch einige Jahre so weitermachen können. Glücklicherweise erkannte die Familie rechtzeitig den Veränderungsbedarf im eigenen Unternehmen. Auch wenn alle Sales-Manager mit Smartphones ausgerüstet waren – der Vertrieb hing irgendwie noch in den 80ern fest. Fit-for-Future sieht definitiv anders aus.

Der Familie war auch bewusst, dass ihr selbst die Erfahrung für solche Unternehmensveränderungen fehlte. Von der internen Expertise ganz zu schweigen. Die Lösung? Sie verkaufte kurzerhand 50% der Anteile an einen Private Equity Fonds mit entsprechender Spezialisierung. So holten sie sich nicht nur Expertise und Erfahrung ins Boot – es kamen auch viele helfende Hände dazu, die den Transformationsprozess unterstützten. Nicht zu unterschätzen: Im Gremium saß nun ein Vertreter mit ausreichend Skin-in-the-Game, sodass man nicht auf halber Strecke umkehrte, nur weil es anstrengend wurde.

Mit gesicherter Finanzierung und dem passenden Mix aus Know-how und Erfahrung lässt sich jede erforderliche Transformation meistern, das Unternehmen nachhaltig zukunftsfähig aufstellen und nebenbei noch ordentlich zusätzlichen Wert generieren. Ist das bereits das Ende der Geschichte? Keineswegs – sie könnte durchaus noch weitergehen.

Stepwise Exit

Wer geschickt vorgeht und sich aus einem der beiden vorherigen Gründe einen Private Equity Investor ins Boot geholt hat, kann dessen Investitionslogik elegant für sich nutzen. Private Equity Fonds verkaufen ihre Portfoliounternehmen typischerweise nach einer Haltedauer von fünf bis sieben Jahren wieder. In diesem, dank Private Equity Erfahrung, meist professionell orchestrierten Verkaufsprozess lässt sich dann der vollständige Ausstieg aus dem eigenen Unternehmen und der Einstieg in die Rente realisieren.

Ein Dienstleistungsunternehmen mit ursprünglicher Me-Too-Strategie stand genau vor dieser Konstellation. Der Sprung in die Wachstumsphase wollte allein nicht gelingen. Der Gründer und Eigentümer plante seinen Rückzug in die wohlverdiente Rente für die kommenden 5-10 Jahre. In seinem damaligen Zustand war das Unternehmen allerdings kaum verkäuflich.

Rechtzeitig holte er sich einen professionellen Investor an Bord, der sowohl Know-how als auch Finanzierung für die anstehenden Veränderungen mitbrachte. Gemeinsam bereiteten sie das Unternehmen auf die Wachstumsphase vor und gingen die ersten Expansionsschritte an. Nach knapp sieben Jahren wurde das Unternehmen vollständig an den nächsten Investor veräußert, der sich sofort dem intensiven Wachstum widmen konnte. Happy End für alle Beteiligten.

Der geplante und rechtzeitige Teilverkauf stellte die Weichen für den vollständigen Exit. Der Private Equity Investor erhöhte den Druck auf den späteren Verkaufsprozess. Ein Zurück gab es nicht mehr.

Bevor hier der Eindruck entsteht, wir singen hier eine Lobeshymne auf Private Equity Investments im Mittelstand – in vielen Situationen ergibt das durchaus Sinn. Alle drei Szenarien zeigen überlegtes strategisches Handeln. In keinem Fall fällt die Entscheidung für einen Verkauf oder Teilverkauf fünf vor zwölf. Stattdessen hat sich vorher jemand umfassende Gedanken über die Zukunft des Unternehmens gemacht.

Und sonst? Ein Super Unternehmen?!

Hier landen Unternehmer also in der Situation, in der die Nachfolge nicht zehn Jahre im Voraus durchdacht, geplant und eingeleitet wurde – und auch strategische Visionen für das Unternehmen eher Mangelware sind. Dennoch soll der Exit für Gründer und CEO jetzt zeitnah erfolgen. Was bleibt? Verkauf „as-is“.

Das erinnert stark an den Gebrauchtwagenkauf „wie gesehen“. Denkt man an die Eingangsstory zurück, funktioniert das durchaus. Zumindest, wenn der Gründer und CEO ein gewisses Alter erreicht hat und der Exit-Druck entsprechend hoch ausfällt. Stimmt der Preis, findet sich in der Regel immer ein Käufer.

Im Infomemo ist dann von einem fantastischen Unternehmen mit unzähligen Zukunftschancen die Rede. Das etwas lapidare „fantastisch“ lässt sich durch unzählige andere Superlative ersetzen, die das Unternehmen in den Himmel loben. Dabei drängen sich eigentlich sofort ein paar kritische Fragen auf: Wenn so große Zukunftschancen existieren, warum wurde davon noch keine umgesetzt? Oder zumindest die Umsetzung gestartet? Und noch kritischer: Warum verkauft man ein Unternehmen, das so hervorragend dasteht?

Wenn es so gut läuft, dann kann man es doch auch eigentlich behalten. Ein solide aufgestelltes Unternehmen ließe sich problemlos über den Cash-Flow zur Rentenfinanzierung nutzen. Bevor man den Verkaufserlös in ein Aktienportfolio von Unternehmen steckt, deren Produkte und Strategien einem fremd sind, könnte man einfach Anteile an einem Unternehmen halten, das man aus dem Effeff kennt. Statt eines Aktienportfolios lassen sich schließlich auch Firmenanteile an die Kinder vererben.

Passiert das jedoch nicht, was verrät das über das Unternehmen? Was bedeutet das für die Organisation? Kurz gesagt: Es fehlt vermutlich das Vertrauen, dass es ohne Gründer und CEO wirklich gut weiterläuft. Schwierig.

Deshalb also erst mit fünfundsechzig verkaufen – dann schluckt man auch die bittere Pille der Erkenntnis. So hervorragend steht das Unternehmen dann doch nicht da, die Zukunft ist nicht so rosig, zu spät mit dem Denken an morgen begonnen. Der Wert ist nicht so hoch wie gedacht. Preisabschlag! Aber der Druck sitzt im Nacken, dann kommt der Deal auch zustande. Und alle sind glücklich…

Eine Art Carve-out vom CEO

Wenn noch Zeit bliebe, wenn der Verkäufer eben nicht über sechzig wäre, welche Optionen gäbe es dann? Manchmal bietet sich auch mit über sechzig noch die Chance, weitere fünf Jahre an Bord zu bleiben und die notwendigen Veränderungen voranzutreiben.

Was steht auf der Agenda? Im Kern ist es ganz simpel: Die Organisation so aufstellen, dass man sie mit gutem Gewissen auch behalten könnte. Das wäre im Grunde eine Art Carve-out vom Gründer und CEO. Das Unternehmen von ihm unabhängig machen. Sämtliche Verflechtungen zwischen Gründer und CEO auf der einen und der Organisation auf der anderen Seite auflösen.

Das bedeutet Prozesse umzustellen, sodass sie über die „normalen“ Verantwortlichen laufen – nicht mehr, weil es schon immer so war. Beim Recruiting entscheidet nicht mehr grundsätzlich Herr Meyer, sondern die zuständige Führungskraft; schließlich muss sie mit dem neuen Mitarbeiter leben und arbeiten. Die Preisgestaltung erfolgt nicht nach Tagesform von Herrn Meyer, sondern basierend auf einer klaren Preisliste und einem definierten Prozess.

Falls diese beschriebenen Führungskräfte gar nicht existieren? Dann schnell her damit – zügig eine Organisation aufbauen, die eigenständig Entscheidungen treffen und umsetzen kann. Eine nachhaltige Struktur, die den CEO entlastet und funktioniert, auch wenn er mal in Urlaub fährt, ohne dass das Unternehmen stillsteht.

Meist existieren viele implizite Regeln, Prozesse, Taktiken und Know-how-Schätze. Diese müssen – zumindest die wichtigen – explizit gemacht werden. Sie brauchen Dokumentation. Und ja, sie müssen transparent werden. Dann lässt sich auch leicht überprüfen, ob wirklich so gehandelt wird oder ob der Erfolg vielleicht ganz woanders steckt.

Vorbereitung ist alles. Das wird Zeit brauchen. Das Positive daran? Der Gründer und CEO hat enormen Einfluss darauf. Je schneller er loslassen kann und der Organisation die Chance zur Emanzipation gibt, desto zügiger geht es voran. Da taucht sie wieder auf, die Vertrauensfrage. Aber wenn man der Organisation nicht vertrauen kann, solange man selbst als CEO an Bord ist, dann wird man ihr auch nicht vertrauen, wenn jemand anderes das Ruder übernimmt. Alleine wird der neue CEO die Welt schließlich auch nicht retten.

Am Ende bleibt es eine strategische Fragestellung

Wer nicht kurz vor knapp der bitteren Wahrheit ins Auge blicken möchte, muss sich also früher hinsetzen und – weniger für sich selbst als für das Unternehmen – die Frage beantworten: Wie sieht eine Zukunft aus, wenn man selbst in Rente gegangen ist?

Ist eine Zukunft mit einem anderen CEO denkbar? Das könnte durchaus auch jemand aus der Familie sein. Viel entscheidender aber: Ist so viel Vertrauen in die Organisation vorhanden, dass man im Zweifel die Anteile einfach behalten kann? Erfordert die Zukunft umfangreiche Veränderungen oder gar eine fundamentale Transformation, für die es einen finanziellen und strategischen Partner braucht?

Es bleibt letztendlich eine strategische Fragestellung. Mit der sollte man sich frühzeitig auseinandersetzen; nicht erst zwölf Monate vor dem geplanten Renteneintritt. Und das sollte explizit geschehen. Bei Unternehmen, die (noch) diese hohe Abhängigkeit vom Gründer und CEO aufweisen, gehört das in die Strategie hinein. Sicher nicht gleich bei der Unternehmensgründung, aber etwa zehn Jahre vor dem geplanten oder erwarteten Ruhestand.

Dann haben auch Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter die Gewissheit, dass an ihre Zukunft und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gearbeitet wird. Am Ende bleibt es eine strategische Fragestellung, die aber besser am Anfang gestellt wird.

Digitalisierung im Mittelstand: Gekauft ist noch nicht gemacht

Digitalisierung im Mittelstand: Gekauft ist noch nicht gemacht

Digitalisierung – einfach kaufen!

Organisch ist die Digitalisierung des deutschen Mittelstands nicht möglich. – Diese prägnante Aussage fiel vor ein paar Monaten auf einer Konferenz. Im Prinzip würde das bedeuten, die dafür notwendigen Kompetenzen selbst aufzubauen und die Organisation auf der sprichwörtlichen grünen Wiese hin zur Digitalisierung zu entwickeln.

Theoretisch ist das durchaus möglich, keine Frage. Man beginnt damit, zwei oder drei wirklich gute Leute einzustellen. Doch hier wartet bereits die erste große Hürde: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Welche Top-Talente entscheiden sich für eine Organisation, die sie zunächst ausbilden und erziehen müssen? Selbst wenn man all diese Hürden meistert, wird es ein sehr langer Weg.

Welche Alternative gibt es? Wenn der organische Weg nicht funktioniert – oder einfach zu lange dauern würde –, bleibt die anorganische Lösung. Das war auch der Ansatz, der auf der besagten Konferenz propagiert wurde. Also kaufen wir einfach die „Digital-Bude“ – eine Art weißen Ritter, der alles zum Guten wendet. Suchen, kaufen, fertig.

Das wäre dann also die Lösung für die Digitalisierung des deutschen Mittelstands. Sie lässt sich natürlich auch auf das Thema generative Künstliche Intelligenz anwenden – sowie auf viele weitere, mehr oder weniger erforderliche Transformationen.

Ganz richtig: Bei der Digitalisierung einer Organisation handelt es sich um eine echte Transformation. Die Organisation soll anschließend digital(er) sein, digital(er) denken und digital(er) handeln. Das ist weit mehr als nur ein paar neue Prozesse. Es geht um neue Perspektiven, Denkweisen, Logiken und Glaubenssätze.

Signing erledigt – und jetzt?

Ist es mit der Akquisition dann getan? Passiert die gewünschte Entwicklung von ganz allein? Das wäre einfach. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum es so oft genau so versucht wird – übrigens nicht nur bei der Digitalisierung, sondern auch bei vielen anderen Akquisitionszielen. Ist die Tinte trocken, wird der Vertrag abgeheftet und die Akte ins Archiv gelegt. Fertig. Zu schön, um wahr zu sein.

Nehmen wir als Beispiel unseren deutschen Mittelständler, der übrigens Bohrer für Spezialanwendungen herstellt. Das kann er richtig gut. Nun hat er so eine „Digital-Bude“ gekauft, die wiederum sehr coole Apps programmiert. Wenn nach dem Signing – oder auch nach dem Closing – außer einer kleinen Ansprache und ein paar neuen Kugelschreibern nicht viel mehr passiert, wird sich auch nicht viel verändern.

Dann bleibt alles beim Alten. Die einen stellen weiterhin ausgezeichnete Spezialbohrer her, und die anderen bleiben die hippen Digitals. Kein Austausch, keine Zusammenarbeit, keine Veränderung. Immerhin: Solange beide einfach weitermachen können wie bisher, geht zumindest nichts kaputt.

Es könnte schlimmer kommen…

Ja, leider. Zum Beispiel, wenn der Käufer – die mit den Bohrern – versucht, der „Digital-Bude“ seine Prozesse überzustülpen. Wenn plötzlich die gleichen Einkaufsbedingungen für alle gelten: Wer braucht schon Spezial-Hardware oder digitale Flipcharts? Normale Notebooks und alte Flipchart-Blöcke reichen doch auch – davon liegen ohnehin noch genug im Lager. Oder wenn auf einmal dieselben Kernarbeitszeiten (08:30–16:00 Uhr) und Präsenzpflichten für alle gelten. Wer braucht schon regelmäßige Videokonferenzen mit dem Silicon Valley oder mit China? Dass die „Digital-Bude“ in diesem Szenario Schaden nimmt, versteht sich von selbst.

Es braucht also mehr als nur eine gut gemeinte Ansprache nach der Akquisition. Es braucht ein Umdenken – sowohl bei der Mannschaft mit den Bohrern als auch bei den hippen Digitals. Sie müssen sich verstehen und voneinander lernen.

Going back in Time – Industrie 4.0

Warum ist gerade die Digitalisierung eine so umfassende Veränderung? Vor vielen Jahren haben wir einen Automobilzulieferer bei einer umfassenden Restrukturierung unterstützt. Gegen Ende aller organisatorischen Umbaumaßnahmen kam der Wunsch auf, in der Produktion ein Manufacturing Execution System (kurz MES) einzuführen, um sich auf den Weg Richtung Industrie 4.0 zu machen. Doch nach einer so weitreichenden Veränderung braucht eine Organisation zunächst Zeit zur Konsolidierung. Das „Neue“ muss sich setzen und in die Routinen übergehen. Der Zeitpunkt war also schon mal eher ungünstig.

Industrie 4.0 bedeutet, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette Informationen in Echtzeit zwischen Kunden, eigener Produktion und Lieferanten ausgetauscht werden. Dafür muss die eigene Organisation zwingend datengetrieben und digital arbeiten. Die Installation von Hard- und Software in der Produktion ist zwar sehr cash-intensiv, aber eine vergleichsweise kleine technische Voraussetzung.

In dieser Organisation war „digital“ zu diesem Zeitpunkt fast noch ein Fremdwort. Der Alltag des Managements war von schweren Unterschriftenmappen geprägt, die zwischen mehreren Standorten hin und her gefahren wurden. Reisekostenabrechnungen wurden noch von Hand auf speziell angefertigten Briefumschlägen erstellt, in die die Belege eingelegt wurden.

Hier lag der eigentliche transformatorische Schritt: Aus einer Organisation, die mit physischen Belegen und Dokumenten arbeitet, eine zu machen, die digital und datengetrieben denkt und handelt. Sonst käme beispielsweise vom Kunden in Echtzeit eine Lieferplanänderung, die vor Ort erst einmal ausgedruckt wird, um anschließend intern verteilt zu werden. Erst dann könnten Produktion, Logistik und Einkauf reagieren – und HR wüsste womöglich immer noch nicht, dass nächste Woche mehr Personal in der Produktion benötigt wird.

Digitalisierung kann nicht top-down verordnet werden

Was macht Digitalisierung so anders als andere Veränderungsprogramme? Warum kann man nicht einfach das Ziel festlegen, den Weg vorzeichnen und den Startschuss geben? Die digitale Denkweise ist (noch) nicht vorhanden. Auf diesem Auge ist die Organisation (noch) blind. Also kann auch keine (digitale) Lösung vorgegeben werden. Oft ist nicht einmal das Problem klar identifiziert, für das es die digitale Lösung braucht. Hierfür muss die Organisation zunächst ertüchtigt – besser: transformiert – werden.

Top-down-Vorgaben funktionieren also nicht. Wie geht es dann? Diese Transformation kann nur von innen heraus gelingen. Die Organisation muss Schritt für Schritt an „digital“ herangeführt werden – für den einen Teil sind diese Schritte größer, für den anderen kleiner. Menschen müssen Erfahrungen sammeln und Erlebnisse haben, damit sich die digitale Denkweise entwickeln kann.

Die Mitarbeitenden der „Digital-Bude“ helfen dabei, diese Erfahrungen zu ermöglichen und die neue Denkweise zu transportieren. So lernen die einen, digitaler zu denken, und die anderen, wie ein Hersteller von Spezialbohrern zu agieren. Es entsteht eine Organisation, die digital denkt und handelt, Probleme erkennt, digitale Lösungen entwickelt und diese auch umsetzen kann.

Post Merger Integration – Der Katalysator

Digitalisierung lässt sich nicht einfach vorgeben, planen und top-down steuern. Es gibt jedoch vieles, was man tun kann, damit sie gelingt. Vor allem braucht es den passenden Rahmen für die Transformation – und organisierte gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse.

Die klassische Post-Merger-Integration mit ihrer Mission „zusammenwachsen durch zusammen wachsen“ ist dafür ideal. Durch die gemeinsame Bearbeitung überschaubarer Aufgaben – und davon gibt es nach einer Akquisition viele – entstehen gemeinsame Erfolgserlebnisse. Alte Organisationsgrenzen werden überwunden, Menschen kommen in Interaktion und lernen voneinander.

Es braucht eine klar formulierte Vision für diese besondere Akquisition. Eine Vision, die „Digitalisierung“ beschreibt, nicht nur ein konkretes neues Produkt – denn es geht um weit mehr. Diese Vision inspiriert die ersten Pioniere beider Organisationen, Kontakt zu suchen, zusammenzuarbeiten und Widerstände zu überwinden. Sie bietet Orientierung auf dem Weg der Transformation.

Die Akquisition der „Digital-Bude“ ist der Turbo auf dem Weg zur Digitalisierung. Doch für die wesentlichen Schritte – die Transformation der Organisation – gibt es keinen Shortcut. Die Post-Merger-Integration ist der Katalysator, der den Prozess in Gang hält.

Mit agilen Prinzipien zum Akquisitionsziel

Mit agilen Prinzipien zum Akquisitionsziel

Der Agile Albtraum des Paul M.

Paul war überzeugt: Diesmal wird alles anders. Kein starres Gant-Chart, keine endlosen Excel-Tabellen, keine Wasserfall-Logik von gestern. Sein PMI-Projekt – ein mittelgroßer, aber politisch heikler Merger – wird agil. Mit Daily Stand-ups, Backlog Groomings und natürlich: Re-priorisierungen „on the fly“. Paul las gerade Scrum für Dummies, als das erste Thema kippte.

Die Integration des Vertriebsteams, eigentlich „Top Priority“, wurde vertagt – „weil Finance gerade lauter schreit“. Zwei Wochen später verschob HR den Onboarding-Prozess, „weil das Target-System noch nicht angebunden ist“. Und als Paul in Sprint 3 feststellte, dass keines der Teams mehr wusste, woran das andere arbeitet, beschloss er, die Retrospektive zur Krisensitzung umzuwidmen.

Das Einzige, was sich regelmäßig bewegte, war die Prioritätenliste. Dafür blieb die Timeline konstant: verspätet. Paul lächelte tapfer durch das tägliche Chaos, klammerte sich an agile Manifeste – und wünschte sich insgeheim nichts sehnlicher als einen ehrlichen, altmodischen Projektplan. Mit Meilensteinen, Deadlines und bitte, bitte: Klarheit darüber, wer wann was zu tun hat.

Agil ist gut. Aber vielleicht nicht hier? Nicht jetzt? Nicht so?

Agile Projektprinzipien – jenseits von Post-Its und Stand-ups

Agile Projektprinzipien und insbesondere Frameworks wie Scrum sind keine bloßen Werkzeuge oder Methoden. Sie sind Denkmodelle. Ihre Grundlagen bilden unter anderem die drei Säulen kontinuierlicher Verbesserung: Transparenz, Überprüfung und Anpassung; das Agile Manifest, die zwölf agilen Prinzipien sowie die fünf Scrum-Werte: Engagement, Fokus, Offenheit, Respekt und Mut.

Diese Prinzipien und Werte bilden einen flexiblen Rahmen, wie (Software-Entwicklungs-)Projekte umgesetzt werden können. Dahinter stehen zwei zentrale Ideen. Iterativ-inkrementelles Vorgehen, um Veränderungen und externe Einflüsse besser aufgreifen zu können, und Fokus auf den Kundennutzen, um Ergebnisse mit dem höchsten Mehrwert zu liefern.

Zum agilen Rahmen gehören unter anderem die Rollen Product Owner und Scrum Master, die Artefakte Product Backlog und Sprint Backlog sowie die Ereignisse Sprint, Daily Scrum, Sprint Review und Sprint Retrospective. Die ursprünglich aus der Software-Entwicklung stammenden Konzepte dürfen jedoch nicht einfach unverändert übernommen werden. Sie benötigen eine Übersetzung in die Welt von Mergers & Acquisitions und Post Merger Integration.

Integration Backlog – Was wirklich zählt

Was soll erreicht werden? Diese zentrale Frage wird in der Softwareentwicklung meist über den Kundennutzen beantwortet. Doch wer ist bei einer Post Merger Integration eigentlich der Kunde?

Bei einem so komplexen Vorhaben wie einer Post Merger Integration gibt es nicht nur viele, sondern auch sehr unterschiedliche Kundengruppen. Um die Begriffsverwirrung zu vermeiden, sprechen wir besser von Stakeholdern. Zu diesen zählen die üblichen Verdächtigen: Eigentümer, Mitarbeitende beider Unternehmen (einschließlich Geschäftsführung oder Vorstand), (Regulierungs-)Behörden wie etwa Finanzämter, Lieferanten, Finanzierer und nicht zuletzt die „echten“ Kundinnen und Kunden der Unternehmen.

Das sind in der Tat viele, und genau das erklärt, warum eine Post Merger Integration als so komplex gilt. Unterschiedliche Stakeholder bringen unterschiedliche Bedürfnisse mit, die berücksichtigt werden müssen. Der Integration Backlog füllt sich entsprechend schnell mit vielfältigen Zielen aus dem Bereich Housekeeping, aber auch mit den dealspezifischen Zielen der Value Creation.

Der Integration Backlog enthält nicht die einzelnen Arbeitsschritte. Stattdessen führt er Ziele auf, die erreicht werden sollen. Ziele, die sich klar aus den Bedürfnissen der Stakeholder ableiten lassen. Folgt man einer Priorisierung dieser Bedürfnisse, können auch die Einträge im Integration Backlog entsprechend priorisiert werden.

Diese Priorisierung orientiert sich in der Regel an vorgegebenen Meilensteinen, etwa Berichtspflichten, Messeauftritten oder den Zielen aus der Deal-Story. Und: Diese Priorisierung ist nicht allgemeingültig, sondern immer situations- und akquisitionsspezifisch.

Schon am Day One enthält der Integration Backlog eine Vielzahl an „Must-Dos“. Die gute Nachricht, sie müssen nicht alle sofort erledigt werden. In vielen Fällen hat sich eine Einteilung nach der Logik First 10 Days, First 30 Days, First 100 Days, Beyond 100 Days bewährt, um schnell zu clustern und den Fokus auf die Umsetzung zu richten.

Der Integration Backlog ist kein statisches Dokument. Das entspricht einem der Grundprinzipien agiler Projektarbeit. Elemente können im Verlauf des Projekts ergänzt, entfernt oder neu priorisiert werden. Auch die ursprüngliche Gewichtung kann sich mit der Zeit verändern. Der Vorteil dieses Denkmodells für die komplexe Post Merger Integration: Man kann schnell starten und direkt in die Umsetzung gehen – ohne zuvor alles bis ins kleinste Detail durchgeplant haben zu müssen.

Integration Sprint – Oder ist es ein Marathon?

Die klassische Post Merger Integration gleicht eher einem Marathon als einem Kurzstreckenlauf. Bis eine Integration vollständig abgeschlossen ist, vergehen nicht selten 18 Monate oder mehr. Vielleicht sollte man die Post Merger Integration sogar mit einem Ultralauf vergleichen, mit Distanzen von 100 Kilometern und mehr.

Die Idee, in kurzen Abständen Ergebnisse zu erzielen und kleine Erfolge feiern zu können, ist nur eine der Überlegungen hinter dem Konzept des Integration Sprints – aber im Hinblick auf das Prinzip „Zusammenwachsen durch zusammen wachsen“ eine besonders zentrale. Denn so werden erste Früchte der gemeinsamen Arbeit bereits nach kurzer Zeit sichtbar und nicht erst nach vielen Monaten. Die Menschen und Organisationen wachsen so Schritt für Schritt ein Stück weiter zusammen.

Ein Integration Sprint dauert in der Regel zwei bis vier Wochen. Die exakte Dauer wird jeweils im Vorfeld festgelegt. Und genau hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des Ansatzes. Dieser überschaubare Zeitraum lässt sich viel einfacher und verlässlicher planen. Eine vollständige Planung über sechs, neun oder gar zwölf Monate hinweg ist hingegen wesentlich aufwändiger und deutlich ungenauer. Auch der Einsatz verfügbarer – insbesondere interner – Ressourcen lässt sich innerhalb dieses kurzen Rahmens besser einschätzen und effizienter steuern.

Auf diese Weise kommt man schneller in die gemeinsame Aktivität. Durch die hohe kurzfristige Planungssicherheit entstehen weniger Abweichungen vom Plan, was wiederum die Zufriedenheit im Integrationsteam erhöht. Und wieder wächst man wächst ein Stück weiter zusammen.

Während eines Integration Sprints können sich die Teammitglieder voll und ganz auf die anstehenden Themen und konkreten Ergebnisse konzentrieren. Anforderungen und Prioritäten bleiben während dieser Phase konstant. Und dank der Kürze des Sprints können neue Priorisierungen bis zum nächsten Sprint warten, ohne in die laufenden Aktivitäten einzugreifen.

Zentrale Elemente eines Integration Sprints sind der Integration Review und die Integration Retrospective am Ende des jeweiligen Sprints sowie das Integration Daily, das wie der Name schon sagt täglich stattfindet.

Integration Review – Mehr als Abhaken

Transparenz und Feedback sind zentrale Prinzipien agiler Projekte. Im Integration Review werden sie systematisch verankert. Am Ende jedes Sprints berichten die Teammitglieder, was sie erreicht haben. Der PMI Owner und die Stakeholder geben Rückmeldung zu den präsentierten Ergebnissen.

Auf diese Weise werden die „Kundinnen und Kunden“ der Integration regelmäßig eingebunden und bleiben über die aktuellen Themen und Fortschritte informiert. Das Integrationsteam erhält wertvolle Hinweise darauf, ob die Integration in die richtige Richtung verläuft, ob die erreichten Ergebnisse den Erwartungen der Stakeholder entsprechen und ob womöglich zu weit oder nicht weit genug integriert wurde.

Alle Beteiligten bleiben durch die hohe Frequenz der Integration Reviews kontinuierlich in den Integrationsprozess eingebunden. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen verhindert ein reines Task-Tracking – eine typische Falle klassischer Großprojekte, bei der lediglich das Abarbeiten von Aufgaben im Vordergrund steht, ohne die Ergebnisse inhaltlich zu hinterfragen. Im Integration Review werden zudem neue oder zusätzliche Anforderungen identifiziert und bei Bedarf direkt in den Integration Backlog aufgenommen.

Integration Retrospective – Internal Only

Neben dem „externen“ Format des Integration Review ist die Integration Retrospective eine „interne“ Veranstaltung. Sie richtet sich ausschließlich an das Integrationsteam und findet ebenfalls am Ende jedes Sprints statt. Vereinfacht gesagt werden dabei zwei zentrale Fragen reflektiert. Was ist im aktuellen Sprint gut gelaufen? Und was sollte im nächsten verbessert werden?

Dabei geht es nicht um die Arbeitsergebnisse, sondern um die Zusammenarbeit im Team. Im Fokus stehen der Umgang miteinander, die Kommunikation sowie die Zusammenarbeit innerhalb des Integrationsteams. Eine weitere wichtige Dimension der Retrospective ist die Interaktion mit Stakeholdern und anderen Personen außerhalb des Teams. Hatte das Integrationsteam ausreichend Gelegenheit, sich auf die relevanten Themen zu konzentrieren oder war es zu sehr durch äußere Einflüsse abgelenkt?

Gerade hier sind der Integration Master und der PMI Owner gefragt. Sie tragen die Verantwortung dafür, den nötigen Rahmen zu schaffen, damit das Team effektiv arbeiten kann.

Die Integration Retrospective dient nicht nur der operativen Verbesserung der Projektarbeit, sie fördert auch das kulturelle Verständnis zwischen den beteiligten Organisationen. Denn wenn offen über die Zusammenarbeit gesprochen wird, treten kulturelle Unterschiede ganz automatisch zutage. Durch die regelmäßige Auseinandersetzung damit, und die gemeinsame Überlegung, wie man mit diesen Unterschieden umgehen will, entsteht kulturelle Integration quasi als Nebenprodukt.

Integration Daily – Jeden Tag!

Bleibt noch das zentrales Element Integration Daily. Wie der Name schon sagt, findet es täglich statt. Es handelt sich dabei um ein kurzes Koordinationstreffen der Mitglieder des Integrationsteams. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen. Alle wissen, woran die anderen aktuell arbeiten. Abhängigkeiten werden aufgedeckt und geklärt, Hindernisse identifiziert und es kann gezielt um Unterstützung gebeten werden.

Gerade in der Frühphase der Integration, zur Vorbereitung auf den Day One und in den ersten Tagen danach empfiehlt sich die tägliche Durchführung des Integration Daily ausdrücklich. In dieser Phase treten immer ungeplante oder unvorhergesehene Herausforderungen auf, sodass diese kurze Abstimmung einen spürbaren Effektivitätsgewinn bringt.

Im weiteren Verlauf des Projekts kann die Frequenz des Integration Daily angepasst werden, etwa auf zwei- bis dreimal pro Woche oder, bei entsprechend geringerem Abstimmungsbedarf, auf ein Integration Weekly. Besonders nach den ersten 100 Tagen, wenn die Teammitglieder nicht mehr überwiegend in die Integrationsarbeit eingebunden sind, sollte der Rhythmus des Daily Meetings dem jeweiligen Projektverlauf sinnvoll angepasst werden.

PMI Owner – Einer für Alle

Jede Integration braucht jemanden, der ihren Wert (er)kennt und Verantwortung für ihren Erfolg übernimmt. Das ist die Rolle des PMI Owners. Häufig werden für diese Funktion operativ verantwortliche Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder als Projektleitung der Post Merger Integration benannt. Das ist möglich, in der Praxis jedoch stoßen wir regelmäßig an die Grenzen dieses Ansatzes.

In der agilen Welt ist der Product Owner – in unserem Fall der PMI Owner – die Person, die die geschäftliche Perspektive des Projekts im Blick behält. Im Kontext einer Post Merger Integration bedeutet das: die Integration in die Unternehmensstrategie und Akquisitionsziele zu übersetzen und umgekehrt. Der PMI Owner stellt also die Verbindung zwischen den Integrationsaktivitäten und der übergeordneten strategischen Vision der Akquisition her.

Dementsprechend ist der PMI Owner auch verantwortlich für die Priorisierung des Integration Backlogs und für die Festlegung der Sprint-Ziele. Diese orientieren sich an strategischen Vorgaben, Akquisitionszielen sowie externen Meilensteinen, etwa Berichtspflichten oder regulatorischen Fristen.

Während eines Sprints steht der PMI Owner dem Integrationsteam als Sparringspartner zur Seite, um offene Fragen schnell zu klären. Das hat den Vorteil, dass das Team nicht auf Feedback aus Steering Committees oder andere Eskalationsrunden warten muss. Der Sprint bleibt dadurch fokussiert und effizient.

Das setzt allerdings voraus, dass der PMI Owner ständig für das Integrationsteam verfügbar ist. Und genau hier zeigt sich ein Zielkonflikt, die operativ verantwortlichen Geschäftsführer sind immer stark in das Tagesgeschäft eingebunden, so dass ihre kontinuierliche Verfügbarkeit für die Integration unmöglich ist. Deshalb greift die Idee, diese Führungspersonen als PMI Owner einzusetzen, in der Praxis häufig zu kurz.

Integration Master – Die echten PMI Expertinnen und Experten

Neben dem PMI Owner, der die Verbindung zur Unternehmensstrategie und zu den Akquisitionszielen hält, sind der oder die Integration Master die zentrale Fachpersonen für die Post Merger Integration. Sie wissen genau, wie Zusammenwachsen gelingt und welche Housekeeping-Themen typischerweise zu bearbeiten sind.

Integration Master sind Möglichmacher, Transformationsagenten, Moderatorinnen und Moderatoren – und mitunter auch Mediatorinnen oder Mediatoren. Sie vernetzen die verschiedenen Workstreams, beseitigen Blockaden innerhalb der Teams und sorgen für reibungslose Zusammenarbeit über Teamgrenzen hinweg. Während der PMI Owner vor allem die „Außenwelt“ außerhalb des Integrationsteams im Blick hat, sind die Integration Master innerhalb des Teams aktiv, als treibende Kraft und operative Unterstützung.

Nicht zuletzt spielen sie eine zentrale Rolle bei der kulturellen Integration. Ihre Erfahrung aus zahlreichen Post Merger Integration Projekten und anderen Transformationen macht sie zu Schlüsselfiguren, wenn es darum geht, unterschiedliche Unternehmenskulturen zusammenzuführen.

Agil in der Post Merger Integration?

Ja – aber sinnvoll. Nicht, weil es gerade „hip“ ist. Agilität ist kein Allheilmittel. Doch gerade bei Projekten vom Kaliber eines Ultralaufs, wie es eine Post Merger Integration häufig ist, hilft das Sprint-Prinzip, den Fokus zu bewahren und die verfügbaren Ressourcen gezielt einzusetzen.

Überträgt man die Werte des Agilen Manifests auf die Post Merger Integration, ergibt sich folgendes Bild.

Individuen und ihre Interaktion stehen über Prozessen und Werkzeugen. Genau das fördert das Zusammenwachsen der Menschen beider Organisationen. Alte Grenzen werden überwunden – eine neue, gemeinsame Organisation entsteht.

Funktionierende Organisation steht über umfangreicher Prozessdokumentation. Der Fokus liegt auf echter Zusammenarbeit und Funktionalität innerhalb einer (neuen) Organisation, nicht auf Schein und Schattenprozessen.

Zusammenspiel mit der Unternehmensstrategie und den Akquisitionszielen steht über der reinen Erstellung von Projektplänen. Die Integration wird nicht zum Selbstzweck durchgeführt, sondern ist die Basis für die Erreichung der Akquisitionsziele.

Reagieren auf Veränderungen steht über dem strikten Befolgen eines Plans. Ziel ist eine resiliente und nachhaltige neue Organisation, die nicht nur die geplanten Ziele erreicht, sondern sich darüber hinaus weiterentwickeln kann.

Die formalen agilen Elemente – von der klaren Zielsetzung im Sprint über das tägliche Integration Daily bis hin zu Integration Review und Integration Retrospective – schaffen einen verbindlichen Rahmen, der zugleich Raum für Fokus und Konzentration ermöglicht. PMI Owner und Integration Master stellen sicher, dass dieser Rahmen eingehalten wird und wirksam bleibt.

Die Rolle der IT in Buy & Build Projekten

Die Rolle der IT in Buy & Build Projekten

Märchenstunde mit Systemstau

Der Hase sprintet – doch der Igel sitzt bereits am Ziel. Der Hase ist nicht nur völlig außer Atem, sondern auch außer sich vor Ärger. „Mir macht das nichts“, sagt der Igel nur, „ich bin schon hier.“ So wiederholt sich das ganze Spiel dreiundsiebzigmal. Doch beim vierundsiebzigsten Mal schafft es der Hase nicht mehr bis ins Ziel.

Die Geschichte kennen wir – sie klingt zwar märchenhaft, ist aber dennoch wahr, zumindest laut den Brüdern Grimm. Es gibt zwar nur wenige Buy & Build Cases, bei denen tatsächlich 74 Add-ons integriert werden. Doch was, wenn diesmal nicht die IT der Hase ist, sondern selbst die Rolle des Igels schlüpft?

IT in Buy & Build: Der unterschätzte Engpass

In den meisten Fällen sitzt die IT nicht von Beginn an mit am Tisch, wenn im Rahmen der Due Diligence das Target analysiert wird – selbst dann nicht, wenn sie maßgeblich zur Wertschöpfung beiträgt, wie etwa im Bereich Financial Services.

Wie oft wird die IT aus Management-Präsentationen herausgehalten, weil sie kritische Fragen stellt? Weil sie nach dem Budget für die IT-Integration fragt? Weil ihre abgesicherten Migrationspläne den gesamten Deal zu verzögern drohen?

Dann kommt der Day One – und es gibt keinen Plan für die IT-Integration, kein Budget für die erforderliche Datenmigration und keine zusätzlichen Kapazitäten für den dafür notwendigen Aufwand. „Das kann warten. Ist ja nicht so dringend.“

Ein paar Monate später folgt die Ernüchterung: Die Ziele der Akquisition wurden verfehlt. Das angestrebte Cross-Selling bleibt aus. Der gegenseitige Zugriff auf Produkte und Kundendaten ist zu umständlich und zeitintensiv.

Woran liegt das? Wenn Schnittstellen schlecht oder gar nicht definiert sind, passen die Daten im Prozess nicht zusammen. Informationen müssen doppelt, dreifach – oder vierundsiebzigfach – gepflegt werden. So entsteht ein idealer Nährboden für jede Menge Schatten-IT.

Das ist nicht nur ineffizient wegen des hohen Mehrfachaufwands – von den qualitativen Einbußen ganz zu schweigen. Es ist auch ein Grund für Ineffektivität, verpasste Innovationschancen und verzögerte Produkteinführungen. Mit anderen Worten: ein Verlust an Wertschöpfung. Willkommen im Märchenwald der verlorenen Integrationschancen.

Was IT leisten könnte, wenn man sie lässt

Beginnen wir mit einem klassischen No-Brainer: Die Datenharmonisierung lässt sich bereits vor dem Closing anstoßen. Dabei müssen keine Daten ausgetauscht werden – was regulatorisch ohnehin meist untersagt ist –, aber es ist möglich, sich über Formate und Anforderungen an die Datensätze abzustimmen und die vorhandenen Informationen entsprechend vorzubereiten.

Frühzeitig zu starten bedeutet nicht nur, früher fertig zu sein, sondern im weiteren Verlauf auch weniger Doppelarbeit. Ab dem Zeitpunkt der Abstimmung können neue Daten direkt „richtig“ eingepflegt werden. So entsteht sofort mehr Kapazität für echte Wertschöpfung – etwa durch zusätzliche Cross-Selling-Aktivitäten.

Die Stimme der IT ist oft kritisch. Das ist so. Und in diesem Satz fehlt bewusst das Wort „leider“. Denn die IT trägt die Verantwortung, komplexe Prozesse digital zu unterstützen und zu automatisieren – möglichst schnell, möglichst reibungslos, möglichst fehlerfrei.

Für diesen Anspruch muss sie zwangsläufig auf Details achten. Sie braucht den Blick für Ausnahmesituationen – auch wenn diese selten auftreten. Doch früher oder später passiert es, meist ohne Vorwarnung.

Diese kritische Haltung sollte man nicht verteufeln. Die IT – in der Rolle des Advocatus Diaboli – erkennt Stolpersteine. Und wenn man sie lässt, entwickelt sie Lösungen, um diese Hindernisse rechtzeitig aus dem Weg zu räumen.

Eine IT, die ständig Feuerwehr spielen muss, ist damit beschäftigt, bereits entstandene Probleme zu beheben und hinterher aufzuräumen. Was dann oft fehlt, ist die Zeit, um in Ruhe über tragfähige Lösungen für komplexe Herausforderungen nachzudenken.

Kreative Hacks lassen sich nicht erzwingen – und schon gar nicht übers Knie brechen. Manchmal genügt es, der IT einfach eine Woche mehr Zeit und den nötigen Freiraum zu geben, um mit einer durchdachten nachhaltigen Lösung aufzuwarten. Das spart am Ende nicht nur Zeit, sondern meist auch Geld.

Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits am Day One elektronisch miteinander vernetzt sind, fördert das das Zusammenwachsen entscheidend. Jeder kann jede und jeden finden und ansprechen – über Standort- oder Unternehmensgrenzen hinweg, dank E-Mail und Videokonferenz.

Voraussetzung ist allerdings, dass Kontaktdaten leicht auffindbar sind. Muss man erst mühsam nach den E-Mail-Adressen im Target suchen, unterbleibt die Einladung zum Meeting womöglich ganz.

Ein gegenseitiger Zugriff auf die Intranets unterstützt auch die kulturelle Integration. So lassen sich Einblicke in die „Anderen“ gewinnen, Unterschiede wahrnehmen und Gemeinsamkeiten entdecken.

Die IT kann Brückenbauer zwischen Alt und Neu sein. Vieles ist möglich, wenn man sie frühzeitig einbindet – und ihr den notwendigen Freiraum gibt. Das gilt im Grunde für jede Integration.

Buy & Build braucht Built-to-Buy

Buy & Build entfaltet sein volles Potenzial nur auf einer tragfähigen Plattform. Dafür braucht es eine leistungsfähige Organisation mit effizienten, stabilen Prozessen – und das wiederum setzt ein solides IT-Fundament voraus: eine modulare, skalierbare IT-Applikationslandschaft.

Dazu gehört Vorbereitung – und vor allem ein frühzeitiges Einbinden der IT in die strategischen Überlegungen zur Buy & Build Strategie. Ist die IT nicht „built to buy“, fehlt das Fundament, auf dem alles aufbaut. Und selbst der kreativste Plattformarchitekt erschafft in diesem Fall kein belastbares Konstrukt, sondern ein fragiles Konglomerat, das früher oder später einstürzt.

Geht es dann nicht nur um „more of the same“, reichen skalierbare Prozesse allein nicht mehr aus. Umso wichtiger ist es, dass auch Modularität von Anfang an mitgedacht wird. Wie sollen KI-Agents zentrale Prozesse übernehmen, wenn die Datenbasis nicht konsistent ist? Wenn zum Beispiel in einem Unternehmen Bohrlöcher in Zentimetern angegeben werden – und im anderen in Zoll?

Eine IT, die tief in die Prozesse eingebunden ist und ein ausgeprägtes Verständnis für das Geschäft mitbringt, kann zusätzliche Synergiepotenziale erschließen – nicht nur zur Effizienzsteigerung, sondern auch für Wachstum und Innovation.

Eine „built to buy“ IT kennt ihre Applikationslandschaft wie aus der Westentasche – und hat auch die Hoheit über Anpassungen und Erweiterungen. Hätte der Igel die Karte nicht gekannt – wie hätte er dann vor dem Hasen am Ziel sein können?

Der Igel ist kein Besserwisser. Er hat einfach früher angefangen

Die IT ist nicht langsam – sie ist gründlich. Wer möchte schon, dass auf der Rechnung der falsche Mehrwertsteuersatz steht oder dass ein Kunde die falsche Lieferung erhält, nur weil beide Empfänger zufällig Meyer heißen?

Eine mögliche Lösung für die Rolle der IT in Buy & Build Projekten liegt – ganz märchenhaft – in Buxtehude. Das Märchen „Dat Wettlopen twischen den Hasen un den Swinegel up de lütje Heide bi Buxtehude“ (Brüder Grimm, 1843) liefert die Idee: Wie kann der Igel immer schon am Ziel sein?

Ganz einfach: Er ist an beiden Stellen gleichzeitig. Ein Teil der IT sorgt für den stabilen Betrieb der bestehenden Systeme („run the platform“), während ein anderer Teil die Plattform aktiv weiterentwickelt und von Anfang an in M&A-Transaktionen eingebunden ist („build & integrate the platform“).

Der regelmäßige Austausch zwischen beiden Teams ist essenziell. Nur so lernen sie voneinander und entwickeln die Plattform kontinuierlich weiter. „…und beide gingen vergnügt miteinander nach Hause: und wenn sie nicht gestorben sind …“

In Buy & Build Projekten entscheidet nicht die Geschwindigkeit des ersten Zukaufs – sondern die Konsistenz des vierten. Wer bis dahin keine belastbare Plattform aufgebaut hat, rennt zwar mit hoher Geschwindigkeit – aber eben im Kreis. Und bricht irgendwann erschöpft zusammen.

Und die IT?
Die war schon da –
wenn man sie rechtzeitig fragt.